Wenn das Knie schmerzt

Das Knie ist das grösste Gelenk im menschlichen Körper. Wir brauchen es für fast jede Art der Fortbewegung: Ob beim Gehen, beim Fahrradfahren oder beim Schwimmen ‒ das Knie spielt eine zentrale Rolle. Doch was soll man tun, wenn plötzlich Schmerzen auftreten?

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Bedeutung des Sports deutlich angestiegen. So gibt es mittlerweile über 500 Sportarten, denn Sport ist ja bekanntlich gesund und jeder soll die für ihn passende Sportart finden und ausüben können. So weit, so gut. Nur ist durch die vielen Menschen, die Sport treiben, auch die Anzahl an Sportverletzungen gestiegen. Man geht heute in der Schweiz etwa von 200 000 Sportverletzungen pro Jahr aus. Betroffen sind oft die grossen Gelenke wie Knie, Schultern oder Sprung- und Handgelenke. 

Knie am häufigsten betroffen
Knieverletzungen gehören in der Schweiz zu den häufigsten Sportverletzungen. Oft reicht eine kleine unkontrollierte Bewegung, und schon ist er da: der Schmerz im Knie. Was tut man in einem solchen Fall? Dr. med. Konrad Kowalski, Leitender Arzt Orthopädie und Traumatologie im Spital Langenthal, weiss Rat: «Wichtig bei Knieschmerzen ist, herauszufinden, woher der Schmerz kommt, wodurch er verursacht wurde. Hat man sich beim Sport verletzt, gilt als erste Massnahme die sogenannte PECH-Regel: Pause einlegen, Eis zum Kühlen, Compression mittels Verband und Hochlagern. Bei einem Unfall empfiehlt sich eine zügige Abklärung beim Arzt. Falls eine Instabilität oder Bewegungseinschränkung vorliegt, prüft er, ob wichtige Strukturen im Knie verletzt wurden.»

Bänder, Knorpel und Co.
Das Knie ist ein sogenanntes Scharniergelenk, welches durch die Kreuzbänder und die Aussenbänder seine Grundstabilität sowie durch die beiden Menisken die Feinstabilität erhält. Zusätzlich hat der Meniskus für den Knorpel, den wir als Schutzschicht auf den Knochenflächen im Kniegelenk finden, eine wichtige Polster- und Schutzfunktion. Werden nun Bänder oder Menisken beschädigt, entsteht eine Instabilität des gesamten Gelenkes und eine Drucküberlastung für den Knorpel. Dies könne unbehandelt zu ernsthaften Folgen führen, erklärt Konrad Kowalski: «Unbehandelte Knieverletzungen können zu weiteren Folgeverletzungen oder zu Arthrose führen. 

Auch wenn nach einem Unfall die Schwellung zurückgegangen ist und Schmerzen nur noch selten auftreten, ist es wichtig, das Knie von einem Arzt kontrollieren zu lassen. Denn nicht jeder Bänderriss oder jede Knorpelverletzung ist mit starken Schmerzen verbunden. Trotzdem sind die Verletzungen vorhanden und sollten unbedingt korrekt behandelt werden.»

Der Kreuzbandriss
Im Kniegelenk befinden sich zwei Kreuzbänder, die das Knie zusammen mit den Aussenbändern stabilisieren. Sie können reissen, wenn Ober- und Unterschenkel gegeneinander verdreht werden. Konrad Kowalski erläutert: «Das vordere Kreuzband reisst wesentlich häufiger als das hintere und dies meist bei Sportverletzungen oder durch einen Sturz. Patienten nehmen oft schon kurze Zeit nach der Verletzung im Knie eine gewisse Instabilität wahr. Bei solchen Anzeichen sollten unbedingt weitere Abklärungen beim Arzt erfolgen.» Weitere Symptome eines Kreuzbandrisses sind eine starke Schwellung und eine eingeschränkte Belastbarkeit. 

Operation oder konservative Behandlung?
Nicht in jedem Fall muss ein Kreuzbandriss operiert werden. «Wenn keine Begleitverletzungen wie Aussenbandriss, Schädigung des Meniskus oder des Knorpels vorliegen, kann eine Behandlung auch konservativ erfolgen. Jedoch empfehlen wir insbesondere bei jüngeren und sportlich aktiven Menschen eine Operation, um die Stabilität des Kniegelenkes wiederherzustellen», meint Konrad Kowalski. Oft erfolgt eine Operation jedoch erst nach ein paar Wochen, um vor der Operation die Funktion des Knies wiederherzustellen und durch Physiotherapie die Muskulatur möglichst gut zu erhalten. 

Knorpelverletzungen 
Bei Knorpelverletzungen wird  die Knorpelschicht, die die knöchernen Gelenks flächen überzieht und für ein reibungsloses Gleiten sorgt, beschädigt. Knorpelverletzungen treten bei jüngeren Patienten meist zusammen mit anderen Verletzungen im Knie auf. Um spätere Schädigungen wie Arthrose zu vermeiden, sollten sie möglichst schnell operiert werden. Bei älteren Patienten wird der Knorpel nach Möglichkeit ebenfalls wieder fixiert oder ersetzt.

Meniskusverletzung
Früher hat man dem Meniskus  keine grosse Funktion zugeschrieben. Bei Meniskusverletzungen wurden Teile oder manchmal der gesamte Meniskus entfernt. Heute weiss man, dass der Meniskus dem Knie ebenfalls eine gewisse Stabilität verleiht und die Funktion eines «Stossdämpfers» hat. «Daher ist man heute bestrebt, nach Verletzungen möglichst viel des Meniskusgewebes zu erhalten», so Kowalski. Meniskusverletzungen sind die häufigsten Verletzungen im Kniegelenk, da sie sowohl bei Sportverletzungen wie auch als degenerative Verletzungen bei älteren Patienten auftreten können. Meist entstehen Risse, die Beschwerden in Form von Bewegungsblockaden, Schwellgngen oder Schmerzen verursachen können. Bei  schweren Sportunfällen oder Stürzen können sowohl das Kreuzband wie auch der Meniskus beschädigt werden.

Da der Meniskus nach innen abflacht und dort nicht durchblutet wird, können Risse lediglich auf der gut durchbluteten Aussenseite des Meniskus genäht werden und heilen. Risse im inneren Bereich bleiben bestehen. «Wenn keine Schwellung besteht, keine Blockade vorliegt und der Patient nicht zu starke Schmerzen hat, empfehlen wir bei älteren Patienten eine konservative Behandlung mithilfe der Physiotherapie. 

Bei Rissen im äusseren Bereich wird insbesondere bei jüngeren Patienten zeitnah operiert, um das Meniskusgewebe zu fixieren, damit es wieder zusammenwachsen kann. Wird eine solche Verletzung nicht behandelt, erhöht sich das Risiko für eine frühzeitige Entstehung einer Arthrose.

Kniearthrose
Das Knie ist das Gelenk, welches am meisten von Arthrose betroffen ist. Sie entsteht meist mit zunehmendem Alter und gilt als Abnutzungserscheinung. Ursachen können zum einen genetischer Natur sein, zum anderen kann Arthrose durch übermässige Beanspruchung durch Sport oder im Beruf entstehen. Der vorhandene Knorpel im Knie nutzt sich im Lauf der Zeit langsam ab und es können Entzündungen auftreten. Wichtig ist, dass man sich in den entzündungsfreien Phasen regelmässig bewegt, denn Knorpel lebt von Bewegung. Mit gezielter Bewegung durch eine gute Physiotherapie kann der Prozess der Arthrose zwar deutlich verlangsamt, aber nicht gestoppt werden. Als letzter Schritt bei Kniearthrose gilt der Gelenkersatz in Form einer Knieprothese. Konrad Kowalski: «Die Entscheidung für einen Gelenkersatz liegt immer beim Patienten. Denn wie stark die Schmerzen sind und wie sehr sich jemand in seiner Mobilität eingeschränkt fühlt, kann nur der Patient selbst beurteilen. Diese Entscheidung sollte überlegt getroffen werden. Man muss bedenken, dass Nachbehandlung und Rehabilitation nach einem Gelenkersatz mehrere Monate dauern können.»

Physiotherapie muss sein
Ob Bänderriss, Meniskusverletzung oder Arthrose im Knie: Physiotherapie ist in jedem Fall ein Muss. Florence Corti-Schibler, dipl. Physiotherapeutin FH BSc, klärt auf: «Sobald eine Verletzung oder eine schmerzhafte Entzündung im Knie vorliegt, geht der Patient in eine Schonhaltung. So geht Muskulatur verloren. Ob man einen Kreuzbandriss oder eine Meniskusverletzung operiert oder sich für eine  konservative Behandlung entscheidet ‒ die Physiotherapie dauert in allen Fällen etwa gleich lang, nämlich bis zu 12 Monate.»

Mitten in diesem Aufbauprozess steckt auch die 16-jährige Ana Maria, die sich im Sommer 2019 bei einem Sturz mit dem Trottinett in den Bergen einen Kreuzbandriss mit Meniskusverletzung zugezogen hat: «Nach der Operation war die Physiotherapie für mich sehr ungewohnt und alles war neu», erzählt die begeisterte Fussballerin. «Ich musste vieles lernen, was nicht immer einfach war. Aber ich habe eine ganz tolle Physiotherapeutin und bin sehr dankbar, dass ich heute dank ihrer Hilfe wieder normal gehen kann.» Mit dem Sport muss sie noch etwas warten, da sie sich noch immer im Aufbau befindet und der Heilungsprozess noch nicht ganz abgeschlossen ist. Sie ist aber zuversichtlich, dass sie im Sommer wieder zurück  auf den Fussballplatz darf.

Muskelaufbau ist entscheidend
Eine Knieverletzung hat in den meisten Fällen einen deutlichen Rückgang der Muskulatur zur Folge. Und diese Muskulatur muss durch verschiedenste Übungen wieder gezielt aufgebaut werden. In den ersten beiden Monaten erfolgt die Physiotherapie ein- bis zweimal pro Woche, später wird dies etwas reduziert. Florence Corti-Schibler: «Die Mitarbeit des Patienten ist von Anfang an ein ganz entscheidender Faktor. Je besser jemand mitarbeitet, desto besser sind die Ergebnisse, die man erzielt. Der Patient muss vor allem das Training zum Muskelaufbau selbstständig, gezielt und regelmässig durchführen. Auch Koordination und Gleichgewicht müssen geübt und stetig verbessert werden.» 

So wird alle drei Monate das Kraftniveau gemessen, auf dem sich der Patient gerade befindet. Sobald eine gewisse Kraft und Stabilität vorhanden sind, können auch komplexere Übungen durchgeführt werden. «Die Therapie kann erst abgeschlossen werden, wenn man sicherstellen kann, dass ein entsprechendes Niveau für Sport und Alltag erreicht ist.»

Immer in Bewegung bleiben
Wichtig ist für Jung und Alt, in Bewegung zu bleiben ‒  sei dies mit Sport, durch Treppensteigen statt Lift fahren, ausgedehnte Spaziergänge oder Fahrradfahren. Bewegung ist in jedem Alter möglich und für jedes Alter gesund. In diesem Sinne: immer schön in Bewegung bleiben!

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