Sinnvolle Vorsorge

Herz, Darm oder Prostata: Angebote für medizinische Check-ups gibt es viele. Grundsätzlich gilt: Ein vernünftiger Lebensstil ist die beste Vorsorge. Doch wann, für wen und wie häufig machen solche Vorsorgeuntersuchungen Sinn? Lesen Sie die spannenden Beiträge aus Sicht der Fachärzte der SRO AG.

Ein Check-up ist mehr als nur eine körperliche Routineuntersuchung oder ein Labortest. «In der modernen Medizin sollte die Frage nicht mehr heissen, was ist möglich, sondern was ist sinnvoll?», sagt Dr. med. Grischa Marti, Stv. Chefarzt Medizinische Klinik und Notfall SRO sowie ärztlicher Leiter des Gesundheitszentrums Jura Süd. Neben dem Beratungsaspekt erachtet er als wichtig, dass die patientenzentrierte Vorsorge sowie die Langzeitbetreuung im hausärztlichen Sektor Hand in Hand gehen. Dazu gehören auch allgemeine Abklärungen wie z. B. Blutwerte, Blutzucker, Nieren-, Cholesterin- und Leberwerte vor einer allfälligen Vorsorgeuntersuchung.

Viele um ihre Gesundheit besorgte Personen befürworten Check-ups und kommen schon mit 30, 40 Jahren für eine Vorsorgeuntersuchung in die Sprechstunde. Beim Erreichen der Lebensmitte ist das Bedürfnis besonders hoch. «Screenings haben Vor- und Nachteile. Hausärzte sollten die sich daraus ergebenden Konsequenzen und Risiken verständlich und transparent darstellen und den Patienten entsprechend beraten», sagt Grischa Marti. So kann es beispielsweise sein, dass es zu einem Zufallsbefund kommt, welcher derjenigen Person gar nie Beschwerden bereiten würde. Dies führt zu unnötigen weiteren Abklärungen und Interventionen, mit jeweils möglichen Komplikationen als Folge. Zudem hat jeder Test beim Patienten physische und psychische Auswirkungen, die es zu berücksichtigen gilt. Deshalb sind undifferenziert durchgeführte Vorsorgeuntersuchungen ohne wissenschaftliche Evidenz nicht nur ein Kostenproblem, sondern führen schliesslich zu einer schlechteren Patientenversorgung.

Welche Untersuchungen und Tests gemacht werden sollen, ist abhängig von Lebensgewohnheiten, familiärer Vorbelastung und bestehenden Erkrankungen, aber auch von Risikofaktoren wie Übergewicht oder Nikotinkonsum. Im Gespräch mit dem Patienten erhält der Hausarzt ein umfassendes Gesamtbild und kann beurteilen, ob oder welche Vorsorgeuntersuchung für die jeweilige Person sinnvoll ist. Gleichzeitig hat er Kenntnis über die diversen Gebiete der Subspezialisten. Massgebend für die spezifischeren Untersuchungen sind Alter, Geschlecht ebenso wie die Anamnese.

Vorsorge ist eine Herzens-Angelegenheit

Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass unser Herz unablässig für uns arbeitet. Dabei sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache in der Schweiz. Eine vernünftige Vorsorge ist ebenso wichtig wie ein gesunder Lebensstil.

«Bei der Herzvorsorge geht es darum, Risikofaktoren zu erkennen, diesen vorzubeugen sowie etwaige Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig zu behandeln», sagt der Leitende Arzt Kardiologie, Dr. med. Fabian Zürcher. Als Kardiologe gehe es hauptsächlich darum, eine Durchblutungsstörung des Herzens (koronare Kardiopathie) zu entdecken oder auszuschliessen. Das bedingt eine enge Zusammenarbeit mit den Hausärzten. Diese machen jeweils eine Grunduntersuchung und die ersten Checks. Bluthochdruck, Diabetes und erhöhtes Cholesterin zählen zu den Hauptrisikofaktoren. Neben Alter und Geschlecht spielt die erbliche Veranlagung eine Rolle. Je nach Ergebnis werden die Patienten an die Kardiologie überwiesen. Die europäische Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt jedoch keinen routinemässigen kardiologischen Check-up für symptomfreie und vermutlich gesunde junge Menschen (Frauen unter 50 und Männer unter 40 Jahren). Der Lebensstil sollte nicht erst nach einem Herzinfarkt verändert werden. Die meisten Risikofaktoren lassen sich durch ein gesundheitsbewusstes Verhalten ausschalten oder verbessern. Neben einer ausgewogenen Ernährung tragen regelmässige Bewegung, das Vermeiden von Übergewicht, Nikotin und übermässigem Alkoholkonsum massgeblich zur Herzgesundheit bei. Gerade die Verringerung des Tabakkonsums erachtet Fabian Zürcher als vordringliches gesundheitspolitisches Ziel. Leider treten lebensbedrohliche Erkrankungen wie der Herzinfarkt oder ein Hirnschlag häufig ohne Vorankündigung auf.

Was wird bei einem Herz-Kreislauf-Check gemacht?
Nach einer ausführlichen Anamnese erfolgt eine körperliche Untersuchung. Zusammen mit Labortests können auch verschiedene Organfunktionen überprüft werden, z. B. Nieren-, Cholesterin- und Leberwerte. In den meisten Fällen wird zuerst ein Herzultraschall (Echokardiografie) gemacht. Diese Untersuchung zeigt, wie die einzelnen Strukturen des Herzens aussehen und wie sie funktionieren. Beispielsweise können veränderte Bewegungen der Herzwand auf einen früheren Herzinfarkt hinweisen. Auch die Funktion der Herzklappen kann untersucht werden. Häufig wird ein Ruhe- und Belastungs-EKG (Fahrrad-Ergometrie) gemacht, welches auch eine Einschränkung der Durchblutung zeigen kann.

In einigen Fällen müssen noch weitere Herzabklärungen erfolgen. Im SRO wird in Zusammenarbeit mit der Radiologie eine Herz-Computer-Tomografie angeboten. Mit dieser neuartigen Methode können die Herzkranzgefässe ohne invasive Katheteruntersuchung dargestellt werden. Sieht ein Patient z. B. seine verkalkten Herzgefässe, kann ihn das zum Rauchstopp und zur Änderung des Lebensstils oder zur Zustimmung zu einer cholesterinsenkenden Therapie animieren.

Die Wirksamkeit der Darmkrebsvorsorge ist wissenschaftlich erwiesen

Die Darmspiegelung besitzt in der Abklärung der Darmkrebsvorsorge bei Patienten über 50 Jahren einen zentralen Stellenwert. Diese Untersuchung wird in der Gastroenterologie im Spital Langenthal und in der Gastroenterologie Oberaargau ambulant vorgenommen.

«Eine Darmspiegelung (Koloskopie) ist die einzige Vorsorgeuntersuchung, die Darmkrebs verhindern kann. Weil wir damit die Krebsvorstufen zuverlässig sehen und allfällige Polypen gleichzeitig entfernt werden», betont Dr. med. Mentor Bilali, Chefarzt Gastroenterologie und Hepatologie.

Eine Vorsorge, bei welcher gleichzeitig gehandelt wird
Dank schonenden Methoden und modernsten Technologien ist es während der Darmspiegelung möglich, kleinste Veränderungen in der Darmschleimhaut zu erkennen. Die Entwicklung eines Polypen zu Krebs dauert ca. 10 Jahre. Bei frühzeitiger Diagnose ist Darmkrebs sehr gut, auch endoskopisch, behandelbar. Empfohlen wird eine Darmspiegelung für alle Menschen ab 50 Jahren, auch für beschwerdefreie Frauen und Männer. Es gilt jedoch zu beachten, dass Polypen sehr selten und meistens nur in fortgeschrittenen Stadien Symptome verursachen. Vor der Untersuchung muss zur Darmvorbereitung ein Abführmittel eingenommen und reichlich getrunken werden. Dies scheuen gewisse Menschen umso mehr, weil sie keine Anzeichen haben. Bei unauffälligem Befund wird die Kontrolle erst nach 10 Jahren wiederholt. Bei vorbelasteten Patienten erfolgt die Untersuchung 10 Jahre vor dem Alter, in dem bei einem Familienmitglied Krebs diagnostiziert wurde, anschliessend dann mindestens alle 5 Jahre.

Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung in der Schweiz: Insgesamt werden jährlich 4500 Personen mit der Diagnose konfrontiert; 1700 sterben an den Folgen. Einen Schutz vor Darmkrebs gibt es leider nicht. Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung und Nichtrauchen kann jedoch das Risiko einer Darmkrebserkrankung senken. Zudem unterstützt eine ausgewogene Ernährung eine gesunde Darmflora.

Alter ist das grösste Risiko
Eine weitere Methode zur Früherkennung ist der Blut-im-Stuhl-Test (FIT), bei welchem Blutspuren in einer Stuhlprobe gemessen werden. Diese Untersuchung bildet keine echte Alternative und sollte vorwiegend bei Patienten gemacht werden, die ausdrücklich keine Darmspiegelung wollen. Obschon Personen mit familiärer Belastung für Darmkrebs und mit chronischen Darmentzündungen ein erhöhtes Risiko tragen, bilden sie nur einen Viertel der Darmkrebspatienten. Die Häufigkeit von Darmkrebs erhöht sich mit zunehmender Lebensdauer.

Was muss der «aufgeklärte Mann» wissen?

Für Männer zwischen 50 und 55 Jahren, bei familiärer Belastung zwischen 45 und 50 Jahren, ist es sinnvoll, sich einer Prostatakrebsvorsorge zu unterziehen. «Genauso wie die gynäkologische Vorsorge für Frauen, sollte die Untersuchung auch für Männer selbstverständlich sein», betonen Dres. Eckardt Krinn und Sacha Schmid, Co-Chefärzte der Urologie SRO.

«Es gibt keine generelle Empfehlung für ein Prostatakrebsscreening, aber wir stehen zu der Früherkennung und sind gefordert, über die Möglichkeiten der Krebsprävention zu informieren», erklärt Dr. Eckardt Krinn. Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes. Viele Männer leben beschwerdefrei, ohne davon zu wissen. Mit zunehmender Lebensdauer erhöht sich jedoch das Risiko. Fast die Hälfte aller Männer ist bei der Diagnose Prostatakrebs 70-jährig oder älter. Hier obliegt dem Hausarzt eine wichtige Rolle. Mit einem Bluttest bestimmt er einen ersten PSA-Wert. PSA steht für prostataspezifisches Antigen. Für eine umfassende Aufklärung als Entscheidungsgrundlage für eine Früherkennungsuntersuchung ist ein differenziertes Gespräch mit dem Arzt wichtig. Dazu gehört, dass ein Mann die Vor- und Nachteile der Tests und der Nachfolgeuntersuchungen (z. B. MRI und Biopsie) bei einem erhöhten PSA-Wert kennt und darauf hingewiesen wird, dass jede Therapie auch Nebenwirkungen haben kann. Im Dreiklang Patient, Hausarzt und Urologe wird über das weitere Vorgehen entschieden. Man möchte die relevanten und behandlungsbedürftigen Tumore frühzeitig erkennen, um eine kurative Therapie einleiten zu können.

PSA-Wert ist ein Organwert, kein Tumormarker
Die jahrelangen kontroversen Diskussionen bezüglich des PSA-Tests gründen darin, dass der Wert nicht spezifisch anzeigt, ob es sich um einen Tumor oder eine Entzündung der Prostata handelt. Ein Anstieg des PSA-Wertes kann auch auf harmlose Prostataerkrankungen hinweisen. Das Frühstadium eines Prostatatumors ist fast immer symptomfrei. «Man muss die Stärken und Schwächen des PSA-Wertes akzeptieren. Schliesslich ist der PSA-Wert kein Tumormarker, sondern ein Organwert, wie auch Biopsien im Rahmen der Wahrscheinlichkeiten liegen», erläutert Dr. Sacha Schmid.

Hodenkrebs: Selbsttest zur Vorsorge
Schon im Teenageralter untersuchen Frauen ihre Brust regelmässig. Jungen Männern ab 14 Jahren wird das routinemässige Abtasten der Hoden einmal im Monat empfohlen. Am besten funktioniert der Check im Stehen, z. B. beim Duschen. Bei Männern zwischen 20 und 44 Jahren ist ein Keimzelltumor die häufigste bösartige Tumorerkrankung.

 

 

Text: Brigitte Meier
Fotos: Manuel Stettler, stettlerphotography.ch

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