Adipositas – Chancen und Risiken eines Eingriffs

In die Übergewichtschirurgie werden oft grosse Erwartungen gesetzt. Manchmal zu grosse. Denn bevor Dr. med. Michael Durband, Viszeralchirurg der SRO AG, zusammen mit dem Patienten eine Operation planen kann, müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein.

Michael Durband, Sie sind Viszeralchirurg und führen als Leitender Arzt des Bariatrieteams seit einigen Jahren auch Eingriffe an Magen und Dünndarm bei adipösen Patienten durch. Was ist der Grund für diese Spezialisierung?
Vor rund zehn Jahren noch war ich der Überzeugung, eine bariatrische Chirurgie, wo Veränderungen an Magen und Dünndarm vorgenommen werden, brauche es nicht. Es gab damals auch ein wesentlich höheres Risiko für Komplikationen. Heute ist dieses Risiko sehr tief, statistisch gesehen sogar tiefer als bei einer Operation der Gallenblase, die zu chirurgischen Standardeingriffen zählt. Das liegt daran, dass ein Patient, welcher einen Eingriff an Magen und Dünndarm vornehmen lassen will, umfassend abgeklärt und äusserst gut begleitet wird. Zudem wurden die Operationstechniken und die Instrumente in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert.

Handelt es sich beim Eingriff am Magen um eine grosse Operation?
Ich würde einen bariatrischen Eingriff als radikal bezeichnen. Man verändert die Vorgänge im Magendarmtrakt und entfernt beim Schlauchmagen sogar Teile eines vermeintlich gesunden Organes. Das entspricht nicht dem Grundprinzip der Chirurgie. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass die Adipositas eine schwere chronische Erkrankung darstellt, welche lebensbedrohliche Folgeerkrankungen mit sich bringt. So radikal der Eingriff ist – aktuell gibt es weltweit keine effektivere Therapie gegen die Folgekrankheiten, insbesondere gegen die Zuckerkrankheit. Es ist faszinierend zu sehen, dass sich ein krankhaft erhöhter Blutzuckerspiegel bereits einen Tag nach der Operation normalisiert und man eine Insulintherapie innerhalb weniger Tage beenden kann.

Welche Erwartungen haben Patienten an die Operation?
Die meisten Patienten wissen, was auf sie zukommt, denn sie haben bereits einen jahrelangen Leidensweg und zahlreiche Abklärungen hinter sich. Meine Aufgabe ist, die Patienten vor falschen Erwartungen zu bewahren und darauf hinzuweisen, dass nach einer Operation nicht einfach alles gut ist. Die Patienten müssen nach der Operation ihr Ernährungs- und Bewegungsverhalten grundlegend verändern. Der Eingriff unterstützt sie dabei auf eine erträgliche Weise und stellt den Startpunkt einer grossen bevorstehenden Veränderung dar – psychisch wie körperlich. Deshalb verpflichtet sich jeder Patient, nach dem Eingriff ein Leben lang regelmässig zur Kontrolle zu gehen. Die Patienten erhalten eine umfassende Nachsorge.

Übergewichtige schämen sich oft für ihr Aussehen und isolieren sich sozial. Sollte unsere Gesellschaft nicht besser etwas gegen die soziale Ausgrenzung unternehmen anstatt mehr Operationen zu fördern?
Wir sollten beides tun. Bevor ich jemanden operiere, will ich den Patienten genau kennenlernen. Ich kläre ihn offen und ehrlich über alle Chancen, aber auch die Risiken eines Eingriffs auf. Die meisten Patienten haben einen jahrelangen Leidensweg hinter sich und schon manche erfolglose Versuche unternommen, Gewicht zu verlieren. Für diese Menschen ist ein Eingriff tatsächlich eine Lösung. Parallel dazu müssen wir aber auch gegen die Stigmatisierung kämpfen – sogar bei medizinischen Fachpersonen. Adipositas hat nichts mit mangelnder Selbstbeherrschung zu tun, sondern ist eine vielschichtige Erkrankung. Im Umkehrschluss ist eine Übergewichtsoperation keine Lifestyle-Operation.

Wird der Eingriff von den Krankenkassen bezahlt?
Ja. Es gibt aber klare Kriterien, wann der Eingriff bezahlt wird und wann nicht. Voraussetzung dafür ist ein Body-Mass-Index ab 35 und der Nachweis, dass andere Massnahmen zur Gewichtsreduktion während zwei Jahren erfolglos waren. Und selbst dann werden bei jedem Patienten umfassende weitere Vorabklärungen durchgeführt. Vom Entscheid bis zum Eingriff dauert es noch einmal drei bis vier Monate. Ein operativer Eingriff an Magen und Dünndarm ist nie eine schnelle Lösung – aber oftmals eine dauerhafte.

«Die meisten Patienten haben einen jahrelangen Leidensweg hinter sich.»

Magenbypass
Der Magenbypass ist die häufigste Operation zur Gewichtsreduktion. Es wird ein kleiner Vormagen vom Restmagen abgetrennt und neu mit dem Dünndarm verbunden. Der Restmagen und der obere Teil des Dünndarmes verbleiben im Körper und werden neu an den Dünndarm angeschlossen. Der kleine Vormagen ermöglicht nur noch die Aufnahme kleiner Essmengen, diese werden zudem am Hauptmagen vorbeigeleitet (Bypass). Diese Nahrungsumleitung bewirkt Veränderungen im Hormon-Stoffwechsel des Magen-Darm-Traktes. Weitere Informationen

Der Schlauchmagen
Die Schlauchmagenbildung ist ein jüngeres Operationsverfahren in der bariatrischen Chirurgie. Dabei werden rund drei Viertel des Magens entfernt und es verbleibt ein schlauchförmiger Restmagen im Körper zurück. Der Dünndarm wird nicht verändert. Der Schlauchmagen bewirkt eine starke Reduktion der möglichen Essmenge und bewirkt, wie der Bypass, Veränderungen der Hormone des oberen Verdauungstraktes mit Beeinflussung der Botenstoffe, welche für Hunger und Sättigung verantwortlich sind. Weitere Informationen

Welcher Eingriff für welche Person am sinnvollsten ist, kann nur nach umfangreichen Vorabklärungen und im gemeinsamen Gespräch mit den Fachärzten herausgefunden werden. Beide Eingriffe bieten Vor- wie auch Nachteile.

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