Wenn sich die Welt dreht

Das Phänomen Schwindel (Vertigo) beeinträchtigt das Leben der Betroffenen stark. Sie leiden oft zusätzlich an Übelkeit, Sehstörungen und Ohrgeräuschen. Physiotherapie in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten verbessert die Lebensqualität und die Beschwerden der Schwindelpatienten.

Schwindel ist nicht gleich Schwindel. Man unterscheidet drei Hauptkategorien, die am häufigsten auftreten:

Gutartiger Lagerungsschwindel
Typisch sind die sehr kurzen, meist nur für 10 bis 15 Sekunden bestehenden Schwindelanfälle wie auf einem Karussell. Das heftige Drehgefühl ist für die Betroffenen dramatisch. Diese Form tritt überwiegend bei Lageveränderungen des Kopfes auf; beispielsweise beim Seitwärtsneigen oder nachts beim Umdrehen im Bett.

Anfallartiger Drehschwindel
Dabei handelt es sich um eine akut einsetzende Form des Schwindels, die oft Minuten bis Stunden anhält. Hierbei gibt es oft eine Hörminderung und Ohrensausen. Während des Anfalls entsteht ein starkes Drehgefühl, häufig einhergehend mit Übelkeit.

Anhaltender Drehschwindel
Diese gravierende Form kann mit einer heftigen Attacke beginnen und über Stunden oder Tage dauern. Die Betroffenen sind sehr krank, leiden unter starker Übelkeit mit Erbrechen und haben ein starkes Drehgefühl. In der akuten Symptomatik werden diese Patienten vom Notfall überwiesen und ein, zwei Tage hospitalisiert. «Bei der medikamentösen Behandlung wird z. B. Cortison eingesetzt, weil häufig der Gleichgewichtsnerv entzündet ist. Sobald möglich, werden die Patienten physiotherapeutisch behandelt», erklärt Djawed Tahery, Chefarzt Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in der SRO AG. Extrem selten verbergen Schwindelanfälle auch schwere Erkrankungen, wie einen Schlaganfall oder einen Gehirntumor. Eine mögliche Ursache ist Morbus Menière, eine Erkrankung, die vermutlich durch einen Überdruck im Innenohr entsteht. Charakteristisch ist ein dumpfer Druck auf dem Ohr, meist mit Hörminderung, gefolgt von Tinnitus und Drehschwindel. Zur Vorbeugung eines Schwindelanfalls und zur Verbesserung der Blutzirkulation im Innenohr können Medikamente eingesetzt werden, z. B. Betahistin. Möglich sind auch mikrochirurgische Eingriffe.

Diagnose basierend auf ausführlicher Anamnese und frühzeitiger Physiotherapie
Nach einer detaillierten Analyse der Krankengeschichte und allfällig bestehender Erkrankungen fragt der HNO-Spezialist explizit, was den Schwindel ausgelöst hat, welche Symptome dabei auftreten, wie lange sie anhalten und welche Begleiterscheinungen es gibt. Wichtig für die Diagnose ist, ob und welche Medikamente der Patient einnimmt. Nächster Schritt ist die körperliche Untersuchung sowie eine audiometrische Diagnostik, die eine Hörminderung auf der betroffenen Seite zeigen kann. Die Elektronystagmographie ist ein klinischer Test, um atypische Augenbewegungen zu erfassen. Die verschiedenen Blickrichtungen sind wichtig, um die Krankheitsform zu definieren. Dadurch erkennt der Arzt eine einseitige Funktionsschwäche.

Effektive Physiotherapie
«In der Behandlung von Schwindel erweist sich die Physiotherapie als wirksam», bestätigt Kaspar Herren, dipl. Physiotherapeut HF. Um physiotherapeutisch gezielt behandeln zu können, steht eine genaue Abklärung und Untersuchung an erster Stelle. Entscheidend ist die Befragung über Art und Auslöser des Schwindels. Neurologische Tests bezüglich Kraft, Koordination und Empfindungsvermögen von Berührung, Temperatur und Schmerz sowie die Beurteilung des Gleichgewichts und des Gangbildes geben erste wichtige Hinweise auf die Ursache. Danach werden die Augenbewegungen genauer angeschaut. Nun kann man unterscheiden, ob es sich eher um einen gutartigen oder einen gefährlichen Schwindel handelt. Je nach vermuteter Ursache sind zusätzliche Abklärungen wie zum Beispiel Lagerungsmanöver, bei denen der Patient in bestimmte Körperpositionen gebracht wird, oder Untersuchungen der Halswirbelsäule notwendig. «All diese Abklärungen helfen, die Schwindelform einzugrenzen», sagt Kaspar Herren, der sich intensiv mit Schwindel befasst und sich in diesem Bereich weitergebildet hat.

Häufig handelt es sich um einen gutartigen Lagerungsschwindel. Bei dieser Form irritieren lose, winzige Kristalle in den Bogengängen das Gleichgewichtsorgan. Mithilfe von Lagerungen in bestimmten Körperpositionen können die Kristalle wieder entfernt werden.

Bei älteren Menschen sind oft mehrere Faktoren wie Herzprobleme, tiefer Blutdruck, Diabetes oder gewisse Medikamente für den Schwindel verantwortlich. Auch Menschen mit Parkinson oder Multipler Sklerose haben häufig Schwindel. Abnützungserscheinungen bei der Halswirbelsäule können ebenfalls Schwindelempfindungen auslösen. Diese werden mit manuellen Techniken, Stabilisationsübungen und Haltungsschulung behandelt. Bei Gleichgewichtsproblemen sind ein Kraftaufbau und ein Gleichgewichtstraining sinnvoll.

 

Text: Brigitte Meier
Fotos: Manuel Stettler, stettlerphotography.ch

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