Eben noch da und plötzlich weg

Bei Demenzerkrankungen gehen erworbene kognitive Fähigkeiten des Gehirns, wie beispielsweise die Denkfähigkeit, die Gedächtnisleistung oder auch das Sprachvermögen, verloren.

Eben noch da und plötzlich weg. Ein Name, ein Wort, es fällt uns einfach nicht mehr ein. Das passiert den meisten von uns ab und zu. Denn unser Gehirn kann nicht immer alles sofort abrufen. Bei einer Demenz hingegen dauert das Vergessen an und nimmt stetig zu. Dadurch sind demente Menschen vermindert selbstständig und bei der Alltagsbewältigung vermehrt auf Hilfe angewiesen.

«Bei älteren Menschen ist die Angst, an einer Demenz zu erkranken, gross. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass jemand im Alter an einer Depression denn an einer Demenz erkrankt», weiss Alterspsychiater Dr. Paul Hartman aus Erfahrung. Eine Abklärung beim Spezialisten kann Klarheit schaffen: Das differenzierte Angebot der alterspsychiatrischen Dienste im SRO umfasst das gesamte Spektrum der Alterspsychiatrie, von Depressionen über Angsterkrankungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen, insbesondere auch für demente Menschen. «Wir bieten psychotherapeutische sowie medikamentöse Behandlungen für Betroffene an, beraten und unterstützen deren Angehörige».

Früherkennung sehr wichtig
Menschen mit Verdacht auf Demenz werden der Alterspsychiatrie meistens vom Hausarzt zugewiesen, welcher oft ein Demenz-Screening (Mini Mental State MMS) gemacht hat. Im Erstkontakt mit dem Psychiater erfolgt eine psychiatrische Untersuchung. Dabei werden nicht nur psychische Beschwerden erhoben, sondern es wird auch explizit nachgefragt, ob und inwiefern kognitive Defizite vorliegen, welche die Alltagsbewältigung beeinträchtigen. Auch Angehörige werden befragt.

Besonders wichtig ist, herauszufinden, ob die kognitiven Beeinträchtigungen von weiteren körperlichen und psychischen Beschwerden begleitet werden. Dies dient nicht nur der besseren Diagnosestellung, sondern ermöglicht im Fall einer Depression oder Schlafstörung auch gleich eine angepasste Therapie.

Für viele Menschen ist ein Besuch beim Psychiater, besonders wenn der Verdacht auf eine Demenz im Raum steht, mit Ängsten und Scham behaftet und oft braucht es Überwindung, sich für eine Abklärung zu melden. Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser. Obwohl man eine Demenz nicht heilen kann, können sich die Betroffenen und ihre Angehörigen dennoch Unterstützung organisieren, Strategien aneignen und lernen, die Beeinträchtigungen im Alltag zu bewältigen.

Neurologische Untersuchung für ausführliche Demenzabklärungen
Eine Demenzerkrankung ist nicht einfach eine Alterskrankheit. Es ist ein Syndrom, d.h. eine Gruppe von Symptomen, welcher unterschiedliche Demenzformen zugeordnet werden können, die nicht nur im Alter auftreten (beispielsweise eine Alzheimerkrankheit). «Wichtig zu wissen ist, dass es auch reversible Demenzformen gibt, als deren Ursache beispielsweise ein Vitaminmangel oder eine Schilddrüsenerkrankung gesehen wird. Neben einer neuropsychologischen Testuntersuchung ist es daher wichtig, auch eine ausführliche Laboruntersuchung und Bildgebung des Gehirns durchzuführen, allenfalls ergänzt durch eine körperliche/neurologische Untersuchung», sagt Paul Hartman.

Memory Clinic: Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten im Spital SRO
Eine Demenzabklärung in der Memory Clinic erfolgt immer in enger Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachbereichen. Neben der Psychiatrie sind folgende Disziplinen an der Abklärung beteiligt: Neuropsychologie, Neurologie sowie die spezialisierte Radiologie. Nachdem die Untersuchungsergebnisse zusammengetragen und gemeinsam diskutiert wurden, erfolgt die Diagnosestellung mit Behandlungsvorschlägen.

Nach der Diagnose
«Für die begleitende psychologische Therapie, welche in unserem Dienst von einer spezialisierten Pflegefachfrau angeboten wird, ist nicht entscheidend, ob es sich um eine Alzheimerdemenz, eine vaskuläre Demenz oder vielleicht eine Parkinson-Demenz handelt», betont Paul Hartman und hält fest: «Entscheidend ist, zu erkennen, was diese Person braucht und welche begleitenden Massnahmen zu ergreifen sind. Es kann durchaus sein, dass jemand mit einer schweren Demenz weniger Probleme im Alltag erfährt als jemand mit einer leichten Demenz, weil er innerhalb der Familie oder in einem Heim gut eingebunden ist. Als Psychiater haben wir den Gesamtüberblick und sind eng vernetzt mit dem Spital Langenthal.» Die Nachbetreuung erfolgt in der Regel in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, den psychiatrischen Diensten sowie mit der Spitex, der Alzheimervereinigung und Pro Senectute.

Alterspsychiatrie SRO als Anlaufstelle in der Krise
Eine Demenz ist kaum vergleichbar mit anderen Erkrankungen: Sie nimmt dem Menschen im Krankheitsverlauf die Fähigkeit, das Kranksein als solches zu erfassen und diese Fähigkeit kann nicht wieder erworben werden. Mit dem unerbittlichen Fortschreiten der Krankheit wissen demente Menschen oft nicht mehr, wer sie waren, was ein Gefühl der inneren Verlorenheit mit sich bringt. Trotzdem bleiben sie Menschen mit äusserst sensiblem Empfinden. Gefühle der Verunsicherung äussern sich beispielsweise in Angst, Unruhe oder Aggressionen. Dies stellt grosse Herausforderungen an die Kommunikation,
da demente Menschen logischen Argumenten nicht zugänglich sind.

Den fortschreitenden Verlust erworbener Fähigkeiten zu akzeptieren, ist bei noch vorhandenem Krankheitsverständnis am schwierigsten. In dieser Phase klammern sich demente Menschen oft an das gewohnte Umfeld und bagatellisieren vorhandene Probleme, z.B. den Verlust des Partners, fehlende soziale Kontakte, Probleme in der Alltagsfunktionalität wie Nahrungszubereitung, Körperpflege und Haushaltstätigkeit. Die Angst vor einer Stigmatisierung verhindert, dass Betroffene und ihre Angehörigen das Angebot der alterspsychiatrischen Dienste SRO in Anspruch nehmen. Um dem entgegenzuwirken ist es notwendig, das vorhandene Angebot in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Auf Wunsch von Betroffenen und Angehörigen bietet eine mobile Equipe, die aufsuchende Alterspsychiatrie, auch Haus- oder Heimbesuche an.

Wie lässt sich Demenz behandeln?
Bis heute gibt es für Demenzerkrankungen keine Heilungsmöglichkeiten. Speziell für die Alzheimerkrankheit gibt es jedoch medikamentöse Therapien, die das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und die Symptome mildern können.

Diverse nichtmedikamentöse Therapien können die Erhaltung der Alltagsfähigkeiten positiv beeinflussen und so zu einer möglichst grossen Selbstständigkeit und Zufriedenheit der Erkrankten beitragen. Alzheimerpatienten blühen auf beim Tanzen, Hören von Musik, liebevoller Pflege und einem verständnisvollen Umfeld.

Handfestes Netzwerk
Initiiert von der Alterspsychiatrie SRO und dem Alterszentrum Haslibrunnen wurde 2017 der Verein «Netzwerk Alterspsychiatrie Oberaargau» gegründet mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen Heimen, Spital und Alterspsychiatrie zu optimieren. Bereits involviert sind das Alterszentrum am Dorfplatz (Lotzwil), das Alterszentrum Spycher (Roggwil) und die dahlia oberaargau ag, welche einmal monatlich konsularisch besucht werden. Konkret setzt sich das Netzwerk mit der Früherkennung von psychiatrischen Krankheiten in den Altersheimen auseinander. Die Fachkräfte an der Front – Alterspflege, Ärzte und Spitex – sollen erste Symptome besser erkennen und einordnen können sowie die Betreuung und Behandlung der betroffenen Menschen optimieren. Dabei ist Demenz keineswegs das einzige Krankheitsbild.

« Was gut ist für das Herz,ist auch gut für den Kopf.»

Alzheimerdemenz
Bei etwa 60 Prozent der Demenzerkrankungen handelt es sich um Alzheimerdemenz. Hauptmerkmal dieser Erkrankung ist ein Gedächtnisverlust. Verursacht wird diese häufigste Demenzform durch Eiweissablagerungen im Gehirn, die zu Nervenzellverlust führen und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen untereinander zerstören.

Vaskuläre Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist auf Verengungen in den Blutgefässen (Arteriosklerose) zurückzuführen. Bei dieser Demenzform können unterschiedliche Beeinträchtigungen beobachtet werden. Die Sprache kann ebenso betroffen sein wie das Gedächtnis oder die Aufmerksamkeit. Typisch ist ein plötzliches Auftreten der Symptome in Form eines Schlaganfalls. Anders als die Alzheimerdemenz entwickelt sich die Erkrankung nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft.

Sekundäre Demenzerkrankung
Als Folge einer anderen Krankheit kann diese Demenzform zum Beispiel nach jahrelangem Alkoholkonsum oder in Zusammenhang mit Infektionen oder entzündlichen Erkrankungen auftreten.

Wichtig für ein gutes Gedächtnis ist ein gesunder Lebensstil mit regelmässiger Bewegung und ausgewogener Ernährung (kein Übergewicht) sowie Abstinenz von Nikotin und Alkohol.

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