Bandscheibenvorfall – was nun?

Wird ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, stellt sich für die Patienten oft die Frage nach der optimalen Behandlung: Medikamente? Physiotherapie? Schmerztherapie oder am Ende gar eine Operation? Spezialisten klären auf.

Volkskrankheit Rückenschmerzen
Rückenschmerzen gelten in der Schweiz heute als Volkskrankheit, denn etwa 80 Prozent der Bevölkerung haben diese selber schon erlebt. In den meisten Fällen verschwinden Rückenschmerzen nach einer Weile von allein wieder.
Bleiben die Schmerzen oder werden sie stärker, müssen weitere Abklärungen durch den Facharzt vorgenommen werden, um die Ursache dieser Beschwerden zu finden und behandeln zu können.

Diagnose Bandscheibenvorfall
In einem von zehn Fällen, die bei andauernden oder stärker werdenden Schmerzen weiter abgeklärt werden, wird ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Die Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule und bestehen aus einem Ring aus Bindegewebe und einem weichen, gallertartigen Kern. Dieser sorgt dafür, dass die Wirbelsäule beweglich bleibt, und dient zugleich als Stossdämpfer. Wird das Bindegewebe nun beschädigt, kann der weiche Kern austreten und auf das Rückenmark oder die Nervenwurzeln drücken. Sichtbar werden diese Veränderungen bei einer MRT-Untersuchung (Magnetresonanztomographie).

Ursachen
Dr. med. Oliver Schmidt, Chefarzt Wirbelsäulenmedizin im Spital Langenthal, erklärt: «Mit zunehmendem Alter kommt es bei jedem Menschen zu Verschleisserscheinungen der Wirbelsäule und in den meisten Fällen ist die Lenden- oder Halswirbelsäule von solchen Bandscheibenproblemen betroffen. Diese Beschwerden, die oft mit Ausstrahlungen in Arme oder Beine einhergehen können, treten häufig nach Belastungen wie beispielsweise einer unglücklichen Drehbewegung oder nach Anheben einer Last auf. Oft spielt eine Fehl- oder Überbelastung der Wirbelsäule im Vorfeld ebenfalls eine entscheidende Rolle.»  

Art der Beschwerden
Je nach Ort und Schwere des Bandscheibenvorfalls können auch die Beschwerden sehr unterschiedlich sein. Oliver Schmidt: «Manche Patienten haben lediglich leichte Rückenschmerzen, bei anderen treten sogar Lähmungen auf. Starke Schmerzen in Armen oder Beinen, verbunden mit einem Gefühl von Taubheit oder Kribbeln, sind relativ klare Anzeichen für einen Bandscheibenvorfall.»

Weitere Abklärungen
Selbst bei einem eindeutigen Befund durch eine MRT und korrelierenden Schmerzen empfiehlt es sich, weitere Abklärungen in Form von neurologischen Tests durchzuführen. Prof. Dr. Wieland Hermann, Chefarzt Neurologie, klärt auf: «Oft drückt eine Bandscheibe bzw. der ausgetretene Kern auf die Nervenwurzel, die sich rechts und links zwischen den Wirbeln befindet. Um sicherzustellen, dass der Schmerz mit der Höhe der Bandscheibe bzw. der Nervenwurzel übereinstimmt, werden mittels elektrischer Impulse Messungen durchgeführt und ausgewertet. Auf diese Art und Weise kann man den Nerv, der vom Bandscheibenvorfall betroffen ist, eindeutig lokalisieren.» Oft gibt es auch Beschwerden, die ähnliche Schmerzen verursachen wie ein Bandscheibenvorfall, jedoch eine andere Ursache haben. Auch hierfür sind diese neurologischen Untersuchungen notwendig. Wieland Hermann erläutert: «Gerade Fälle, die nicht eindeutig sind, werden im sogenannten Spine-Board besprochen. In diesem Gremium sitzen Spezialisten aus der Wirbelsäulenmedizin, der Neurologie und der Schmerztherapie sowie ein Vertreter der Psychiatrie. Diese zusätzliche Dienstleistung bietet eine breitere Basis, um die optimale Therapie für unsere Patienten zu definieren.»

Therapie gegen die Schmerzen
Wenn keine schweren Lähmungserscheinungen oder Probleme bei der Ausscheidung vorliegen, kann mit einer konservativen Behandlung begonnen werden. «in der Regel beginnen wir mit Schmerzmitteln und Medikamenten gegen Entzündungen, um die Symptome zu lindern», erklärt Dr. med. Christian Wölfel, Leitender Arzt Anästhesiologie und Schmerztherapie im Spital Langenthal. «Der Erfolg einer solchen Medikation kann höchst unterschiedlich ausfallen – bei manchen Patienten verschwinden die Schmerzen ganz.»

Effizienter wirken Medikamente, wenn sie gezielt an die betroffene Stelle der Wirbelsäule gespritzt werden. Auch können starke Nebenwirkungen so oft vermieden werden. Christian Wölfel erläutert: «Bei vielen Patienten reicht diese ‹Interventionelle Schmerztherapie› aus, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Diese Behandlung verursacht nahezu keinen Schaden am Muskel und Bandapparat, also auch keine Vernarbungen. Sie kann daher mehrmals wiederholt werden.»

Nur in seltenen Fällen bleiben trotz allen konservativen und operativen Massnahmen Nervenschmerzen bestehen. Wölfel: «In diesen Fällen führen wir spezielle Schmerztherapien durch. Dies geht bis zur Implantation von Rückenmarksstimulatoren.» 

«Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören und sich möglichst regelmässig zu bewegen.»

In Kombination mit einer gezielten Physiotherapie und der sogenannten Rückenschule können auch langfristig sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Lukas Meier, Standortleiter der Physiotherapie im Spital Langenthal: «Der Patient muss verstehen, was er hat und was er selber machen kann, um seine Situation durch die gezielte Stärkung der Rückenmuskulatur und eine Veränderung seiner Verhaltens- und Bewegungsmuster zu verbessern.»

Operation als Option
Ist die Wirkung einer Schmerztherapie nicht ausreichend, treten Lähmungserscheinungen auf oder wird der Leidensdruck des Patienten zu gross, bleibt als letzte Option die Operation. «Dies ist jedoch immer die letzte Stufe der Therapie», sagt Oliver Schmidt, da Bandscheibenvorfälle als gutartige Erkrankungen meistens unter den genannten Behandlungen von allein ausheilen. «Lediglich bei Patienten mit auffälligen Lähmungen oder Störungen der Blasen- und Darmschliessmuskulatur ist eine möglichst baldige Operation notwendig. Glücklicherweise treten solche Fälle relativ selten auf.» Die vollständige Erholung bzw. das Wiedererlangen der vollen Arbeitsfähigkeit nach einer Operation ist individuell unterschiedlich und dauert meist zwischen drei und sechs Monaten.

Vorbeugen kann jeder
Bewegung ist wichtig und hält uns gesund – auch unseren Rücken. Lukas Meier empfiehlt: «Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören und sich möglichst regelmässig zu bewegen. Um Rückenbeschwerden vorzubeugen oder nach einer Therapie wieder in den Alltag zu finden, sollten sowohl das Training wie auch die erlernten Bewegungsabläufe konsequent weitergeführt werden.»

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